Karl, Geschichte, Aussage, Zeugnis, Meinung, Erlebtes
Sohn eines Obst- und Gemüsehändlers hilft er bereits mit 17 Jahren im elterlichen Betrieb aus. Mit den Jahren meldet sich sein Rücken mit Schmerzen. Eine Fehlbildung seiner Wirbelsäule, die er von Geburt an hat, verschlimmert sich zunehmend mit der täglichen Beförderung von Kisten und Schalen. Immer wieder muss er krankfeiern. Schließlich gibt er auf. Durch einen chirurgischen Eingriff wird er wieder so fit, dass er wieder arbeiten kann, aber in einem anderen Beruf. Eine Zeitlang arbeitet er als Pharmareferent und dann als Vertreter für Optikprodukte. Leider zahlt sich seine Beharrlichkeit nicht aus und seine Wirbelsäule ist entschieden zu sehr geschwächt. Sechs Jahre später wird seine Invalidität anerkannt.
Auch wenn er ganz und gar in der Haut des Invaliden steckt, lässt Karl sich keineswegs kleinkriegen. Die Arme senken entspricht nicht seinem Wesen. Er beschließt, seine neue Freizeit sinnvoll zu gestalten. „Im Warteraum eines Arztes“, so Karl, „fand ich in einer Miteinander-Ausgabe einen Hinweis auf Alteo, Sozialbewegung für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung. Anderntags habe ich mich bei der Christlichen Krankenkasse gemeldet, um Alteo meine Dienste anzubieten“.
Karl betreut heute eine Gruppe Behinderter als Ehrenamtlicher. Sich nur noch mit sich selbst zu befassen, ist der schlimmste Feind. „Ich bin mit 45 Jahren Invalide geworden. Ich wollte nicht zu Hause herumsitzen und grübeln. Ich sagte mir: je mehr ich mich in meine vier Wände zurückziehe, desto mehr gesundheitliche Probleme werde ich haben. Ganz zu schweigen von den Beziehungsproblemen, die dabei auftauchen. Ich musste so oft wie möglich raus! Dank meiner ehrenamtlichen Tätigkeit fühlte ich mich wieder nützlich. In dieser Gruppe haben die Menschen ein offenes Ohr, erzählen aber nichts weiter und stellen keine Fragen… Man findet neue Freunde. Auf einem unserer letzten Ausflüge haben zwei Menschen sich kennengelernt, die nicht weiter als 500 m auseinander wohnen. Sie kannten sich vorher nicht und wussten nicht vom anderen, dass er auch behindert war. Jetzt sind sie Freunde. Ich denke, dass ich auch ein wenig dazu beigetragen habe. Das ist ganz wunderbar. Ich habe mir ein neues Leben aufgebaut, mit neuen sozialen Beziehungen, neuen Aussichten und Vorhaben“.
Um seine Wirbelsäule fit zu halten und somit eine bessere Lebensqualität zu erhalten, muss Karl sein Gewicht unter Kontrolle bringen. Er hat deshalb eine Ernährungsberaterin aufgesucht, die ihm erklärt hat, wie er sich anders ernähren kann. „Ich habe zehn Kilo abgenommen ohne auf vieles verzichten zu müssen“, sagt er, „und seither bin ich quasi Vegetarier geworden. Meine Frau hat mitgemacht und hat sich völlig umgestellt beim Kochen“.
Karl möchte möglichst viel unternehmen, aber er stößt jedes Mal an seine Grenzen. „Ich mache gerne alles selbst im Haus und im Garten, aber ich bin schnell müde. Mit dem Spaten kann ich den Garten nicht mehr umgraben. Jetzt habe ich mir eine Maschine gekauft. Ich wollte auch den Teppich im Wohnzimmer auswechseln. Früher hätte ich das allein geschafft. Jetzt muss ich mir Hilfe suchen“.
Karl ist von Natur aus neugierig. Aus diesem Grund hat er seine Tätigkeitsfelder ausgeweitet. Er achtet allerdings stets darauf, was er noch tun kann. „Ich habe gelesen, dass Joga gut für die Wirbelsäule ist. Ich habe mich also angemeldet und mache alle Bewegungen, Atmungs- und Entspannungsübungen mit, aber bestimmte Körperhaltungen kann ich nicht einnehmen. Ich passe mich halt an“
Karl bleibt allerdings nüchtern. „Die Leute können ganz schön gemein sein. Ich habe Angst, dass mich jemand anschwärzen könnte, auch wenn ich mir überhaupt nichts vorzuwerfen habe. Ich bin vorsichtig, wenn ich mit meiner Sporttasche zum Joga gehe. Einige denken sicher, er ist Invalide und geht spazieren, hat nichts zu tun, führt ein schönes Leben. Schuldgefühle beschleichen einen. Aber auch wenn man nicht fähig ist zu arbeiten, heißt das noch lange nicht, dass man gezwungen ist, sich zu Hause einzuschließen!“ Ganz philosophisch kommt er zu dem Schluss: „Ich kann nichts anderes machen, als mit meinem geschwächten Körper, meiner Arbeitsunfähigkeit zu leben. Ganz einfach mit meiner Unfähigkeit! Aber haben wir nicht alle irgendwo eine Grenzen?“