Manisch-depressiv bedeutet, dass Betroffene zwischen Phasen großer Euphorie und Begeisterung und depressiven Phasen schwanken, in denen sie niedergeschlagen und antriebslos sind. Diese Phasen können mehr oder weniger lang ausfallen.
"Die manisch-depressive Erkrankung ist eine ganz besondere und kann nicht den übrigen depressiven Problemen zugeordnet werden", sagt sogleich Dr. Schepens, Leiter der psychiatrischen Abteilung in der St. Pierre-Klinik von Ottignies. "Die Diagnosestellung ist nicht einfach, da eine notfallmäßig behandelte Person nicht sogleich zu erkennen gibt, was sie im Vorfeld erlebt hat. Demnach ist es geradezu der Wechsel von depressiven und/oder euphorischen Phasen, der diese Krankheit kennzeichnet"."
Kennzeichen dieser Krankheit sind periodisch wiederkehrende Stimmungsstörungen mit manischen und depressiven Phasen. Diese Zyklen unterliegen allgemein saisonalen Einflüssen. Zwischen diesen Phasen lebt der Betroffene mehr oder weniger normal.
Typischerweise beginnen die depressiven Episoden im Herbst mit anschließender vorübergehender oder andauernder Abschwächung/Rückbildung der Symptome oder einer Umwandlung im Frühjahr in eine manische Phase (gehobene Stimmung, schwankend zwischen sorgloser Heiterkeit und fast unkontrollierbarer Erregung). Diese Phasen können sich jedoch je nach Zustand der betroffenen Person mehr oder weniger schnell hintereinander folgen. Wenn bei einigen bis zu vier Phasen innerhalb eines Jahres auftreten, ist die Rede von einem „schnellen Zyklus“. Die Abstände zwischen den einzelnen Phasen variieren auch von einer Person zur anderen; manchmal dauern sie mehrere Jahre an. Während sich diese Phasen in der Regel folgen, kommt es vor, dass sich depressive Symptome mit manischen verstricken. Mit zunehmendem Alter nimmt die Häufigkeit zu.
In der manischen Phase sind Betroffene überschwänglich, enthusiastisch und impulsiv. Sie sind größenwahnsinnig und überschätzen ihre Fähigkeiten. Sie sind leicht reizbar, wütend und sarkastisch. Gefährlich an der Manie ist, dass Betroffene den Bezug zur Realität verlieren. Sie tendieren zu Selbstüberschätzung und leichtsinnigem Verhalten, dessen Konsequenzen sie nicht bedenken. Sie geben bedenkenlos Geld aus und beginnen überdimensionale Projekte, die sie in finanzielle und rechtliche Probleme bringen können. Problematisch ist auch, dass die sozialen Hemmungen verloren gehen. Betroffene sprechen dann willkürlich fremde Leute an und neigen zu einem offeneren Flirt- und Sexualverhalten.
Dieser Zustand kann von einem wahnhaften Syndrom begleitet werden. Sie empfinden ein konstantes vermindertes Schlafbedürfnis ohne müde zu sein; sie fühlen sich tatsachlich in Topform, ohne Bewusstsein für den tatsächlichen heruntergefahrenen Allgemeinzustand.
In der depressiven Phase hingegen sind die Betroffenen melancholisch oder traurig. Sie verlieren Interesse und Freude an Aktivitäten und Vergnügungen und empfinden Antriebslosigkeit. Unkontrollierte Tränenausbrüche, schwindendes Selbstwertgefühl und übertriebene Schuldgefühle und Schuldvorwürfe gehören genauso zu den Symptomen, wie mangelnde Entschlusskraft oder Konzentrationsvermögen. Jede Tätigkeit ist mit Schmerzen verbunden, sodass die Betroffenen selbst Alltagsaufgaben zu vermeiden versuchen. Geringer Appetit oder verringertes sexuelles Interesse treten häufig auf. Im Rahmen einer depressiven Verstimmung bleiben die Betroffenen oft im Bett liegen, sind ängstlich und leiden unter Schlaflosigkeit. Wiederkehrende Gedanken über den Tod, Selbstmordgedanken, Selbstmordversuche sind typisch für diese Phase, denn das Seelenleid ist unbeschreiblich groß.
Die manisch-depressive Psychose ist eine endogene Erkrankung, d. h. dass die Krankheitsanfälligkeit weitgehend von erblichen Faktoren bestimmt wird (1). Während in der Gesamtbevölkerung drei bis vier auf 1000 Menschen betroffen sind, liegt innerhalb der gleichen Familie die Häufigkeit bei 15 Prozent. In jedem Fall gibt es keinen systematischen oder unvermeidbaren Aspekt der Krankheitsübertragung. Auch verschiedene stressige Situationen oder Ereignisse wie Trauer, Entbindung, usw. begünstigen manische oder depressive Phasen. Die ersten Erkrankungsanzeichen treten vor dem 35. Lebensjahr auf, in der Regel in den zwanziger Jahren.
(1) Bei Menschen mit einer manisch-depressiven Störung werden im Gehirn Schäden bei der biochemischen Nachrichtenübertragung und der Stimmungsregelung festgestellt. US-Forscher haben im Bereich des langen Arms des Chromosoms Nr 18 ein mit manisch-depressiver Störung verknüpftes Gen entdeckt. Dieses Gen ist mit dem Melanocortin-Rezeptor gekoppelt, einem Protein, welches im Gehirn wichtige Hormonregulationen vornimmt.